Ausgeliefert und an Kraft verloren

Den Unternehmen der baden-württembergischen M+E-Industrie stecken nicht nur die Rezession und der Corona-Einbruch tief in den Knochen. Aktuell sehen sich die Betriebe gleich einem ganzen Bündel schwerer Belastungen ausgesetzt. Die Unsicherheiten über den weiteren Pandemieverlauf halten an.

Massive Lieferengpässe bremsen die Produktion aus und treiben die Preise für knappe Güter in die Höhe. Der Krieg in der Ukraine hat die Situation nochmals verschärft und insbesondere die Energiepreise weiter explodieren lassen. Bereits bei einer Südwestmetall-Umfrage im Frühjahr gab knapp ein Viertel der Befragten an, dass ihr Unternehmen durch die anhaltenden Probleme in der Existenz gefährdet sei.

Lieferengpässe

Die Lieferengpässe in der M+E-Industrie stehen im Zusammenhang mit Corona bzw. der Pandemie-Bekämpfung. Der Lockdown Anfang 2020 mit dem abrupten Stillstand der weltweiten Industrieproduktion hat globale Lieferketten reißen lassen oder zumindest gehörig aus dem Takt gebracht. Der Wiederanlauf stottert bis heute gehörig. Wiederholte Loickdowns in China sorgen immer wieder für Ausfälle von dringend benötigten Vorprodukten aus Asien.

Die Folgen für die Betriebe unserer M+E-Industrie sind gravierend. Die große Mehrzahl der Betriebe klagt, dass die Produktion durch die Lieferengpässe behindert wird, das heißt, die vorhandenen Kapazitäten an Personal und Maschinen können nicht voll ausgelastet werden. Dadurch geht auch erheblich Umsatz verloren.

Sowohl Rohstoffe als auch Materialien und Vorprodukte sind Mangelware. Es fehlen Stahlprodukte, teilweise auch Kunststoffe und Holz, vor allem aber auch Chips/Halbleiter und Elektronikkomponenten. Die Mehrzahl der Betriebe leidet unter verspäteten Lieferungen, zu geringen Mengen, häufig auch kompletten Lieferausfällen, vor allem aber unter gestiegenen Preisen im Einkauf. 

Die Auswirkungen der Lieferengpässe sind vielfältig. So können viele Firmen trotz teils gut gefüllter Auftragsbücher nicht genügend oder rechtzeitig produzieren und liefern. Auch Firmen, die selbst keine oder kaum Lieferprobleme haben, sind betroffen – wenn ihre Kunden nicht mehr abrufen können, weil Teile und Vorprodukte anderer Lieferanten oder auch schlicht nur Frachtkapazitäten fehlen. Mittlerweile scheint sich zwar eine gewisse Entspannung zu zeigen. Dennoch richten sich die Firmen darauf ein, dass die Probleme das Geschäft noch bis ins Jahr 2023 hinein beeinträchtigen werden.

Massive Belastungen als Folge des Ukraine-Kriegs

Der 24. Februar 2022 bedeutet eine tiefe Zäsur in der Geschichte des 21. Jahrhunderts. Mit dem Überfall auf das Nachbarland Ukraine hat Russlands Präsident Putin einen Krieg in Europa entfacht, der nicht nur viele politische Grundsätze und Positionen verschoben hat, sondern auch kaum absehbare, gravierende wirtschaftliche Auswirkungen hervorbringt.

Exporteinbußen und abgerissene Lieferketten
Die Rolle Russlands (und der Ukraine) als Absatzmarkt für deutsche Produkte und als Importeur ist in Summe zwar überschaubar. 2021 gingen gerade einmal 1,7 Prozent der baden-württembergischen Exporte nach Russland (ein großer Teil davon Automobile), weitere 0,3 Prozent in die Ukraine. Noch geringer ist die Abhängigkeit bei den Einfuhren: Lediglich ein Prozent der Importe kam aus Russland, 0,1 Prozent aus der Ukraine. Der Handel mit Russland hatte schon seit 2014, nach der Annexion der Krim und den folgenden Sanktionen, an Bedeutung verloren. Laut einer Südwestmetall-Umfrage machten zu Beginn des Krieges gut Dreiviertel der Unternehmen weniger als zwei Prozent ihres Umsatzes mit Russland.

Was für den Durchschnitt gilt, heißt aber nicht, dass einzelne Unternehmen nicht viel härter getroffen sind. Hinzu kommt, dass selbst scheinbar geringfügige Handelsumfänge eine erhebliche Kettenreaktion ausüben können.

Handelsstopp durch Russland-Sanktionen
In Folge des völkerrechtswidrigen Krieges hat die Europäische Union in mehreren Schritten Sanktionen gegen Russland verhängt, die in vielen Fällen auch die M+E-Industrie betreffen. Die Ein- und Ausfuhr vieler Produkte wurde untersagt, der Finanzverkehr drastisch eingeschränkt. Viele deutsche und auch baden-württembergischen Unternehmen mussten zudem ihre Aktivitäten in Russland, seien es Produktionsstätten oder Vertriebsgesellschaften, teils oder ganz einstellen, die dort getätigten Investitionen teilweise abschreiben.

Explodierende Energiepreise

Schon vor dem Krieg hatte die Industrie mit stark steigenden Energiepreisen zu kämpfen. Der Gaspreis für die Industrie hat sich binnen Jahresfrist mehr als verdreifacht, der Strompreis fast verdoppelt. Der Kriegsausbruch hat die Situation auf dem Energiesektor nochmals deutlich verschärft.

Die EU-Staaten haben deshalb den schrittweisen Abschied von Lieferungen fossiler Energie aus Russland beschlossen, erst Kohle, dann Öl und perspektivisch auch Gas. Mittlerweile hat aber ja Russland von sich aus die Gaslieferungen nach Deutschland eingestellt. Da Alternativen aber knapp sind, zudem bei Gas erst noch eine neue Infrastruktur geschaffen werden muss, ist mit einer schnellen Entspannung bei den Energiepreisen keineswegs zu rechnen. Zudem drohen bei einem harten Verlauf der weiteren Wintermonate Energieengpässe, die zumindest zur Abschaltung einzelner Industriebetriebe oder -regionen führen könnte. Bei einem solchen Energienotstand wären gravierende Auswirkungen und langfristige Schäden für die M+E-Industrie zu befürchten.

Stark gestiegene Preise für Produktion und Wareneinfuhr

Auch die Preise für Vorprodukte sind bereits vor dem Krieg deutlich nach oben gegangen. So sind die Import- und Erzeugerpreise innerhalb nur eines Jahres zeitweise um rund 40 Prozent gestiegen. Bei vielen Stahlprodukten etwa ging es noch rascher nach oben. Das heißt, die Betriebe sehen sich im Einkauf noch stärkeren Preissteigerungen ausgesetzt als die Beschäftigten.

Wie die jüngste Südwestmetall-Umfrage im Herbst zeigt, sind nur die wenigsten Unternehmen derzeit in der Lage, die gestiegenen Kosten an ihre Kunden in kostendeckendem Umfang weiterzugeben. Das bedeutet, die meisten von ihnen bleiben auf den Mehrkosten zumindest teilweise sitzen, was ihre Erträge schrumpfen lässt und bei jedem sechsten Betrieb inzwischen die Existenz gefährdet.

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